Chipkartenverwaltung im deutschen Gesundheitswesen
Andreas Rottmann, Orga Kartensysteme GmbH
Moderne Gesundheitssysteme basieren auf Chipkartentechnologie. Zukünftig lösen intelligente Mikroprozessorkarten die bisherigen Speicherkarten ab und sind der Schlüssel zu einer vernetzten Telematik-Infrastruktur in Deutschland.
Die neue elektronische Gesundheitskarte, auch eGK genannt, ist multifunktional, d.h. sie bietet Platz für zusätzliche Anwendungen, hat einen wandelnden Lebenszyklus und benötigt deshalb auch eine besondere Administration. Komplexe Card and Application Management Systeme (CAMS) sind Dreh- und Angelpunkt für die Verwaltung von intelligenten Chipkarten im Feld.
Wo beginnt der Lebenszyklus einer Chipkarte?
Der Lebenszyklus einer Chipkarte ist der Zeitraum zwischen Kartenausgabe und Karteneinzug/Vernichtung. Er beginnt bereits während der Personalisierung beim Kartenhersteller. Bei diesem Vorgang werden in einer sicheren Produktionsumgebung personenbezogene Daten in den Chip der Karte geladen und machen diese zu einem eindeutigen Ausweis eines ganz bestimmten Versicherten.
An dieser Stelle kommt bereits ein wichtiger Bestandteil des CAMS, das Card Management System (CMS), zum Tragen. Dieser Teil des Systems ist für die Verwaltung des Lebenszyklus der Chipkarte verantwortlich. Das betrifft Aspekte wie die Herausgabe, Sperrung oder Erneuerung einer Versichertenkarte.
In der Praxis wird das CMS vor der Auslieferung der Chipkarte an den Versicherten mit einer nur einmal im System vorkommenden Seriennummer sowie wichtigen Informationen für die Verwaltung der Chipkarte während des Lebenszyklus gespeist. Dies sind beispielsweise die aktuell geladenen Anwendungen sowie technische Daten zum Betriebssystem, zur Speichergröße und Lebensdauer der Chipkarte, umfasst jedoch keine personenbezogenen Daten oder Inhalte der Anwendungen.
Vorteile eines CMS
Leistungserbringer wie Ärzte, Apotheker oder weitere Heilberufler haben beispielsweise die Möglichkeit, eine vorgelegte Karte auf Gültigkeit zu überprüfen. Hierzu wird eine online Anfrage an das entsprechende CMS geleitet. Anhand der übermittelten Seriennummer überprüft das CMS den Status der Chipkarte und schickt diesen zurück. Ungültige Karten, die bereits abgelaufen sind, gestohlene oder verloren gegangenen Karten können so dem Leistungserbringer transparent gemacht werden. Auf diese Art und Weise hilft das CMS, den Missbrauch von Leistungen innerhalb der Krankenversicherung zu verringern.
Das CAMS steuert multifunktionale Anwendungen
Mit der Einführung der neuen elektronischen Gesundheitskarte steht die Nutzung der Multifunktionalität der Chipkarte im Vordergrund. Die Mikroprozessor-Technologie ermöglicht das Nachladen und Aktualisieren von Anwendungen auf bereits an Versicherte ausgegebene Gesundheitskarten. Eine der ersten Anwendungen, die mit der neuen Chipkartentechnologie realisiert wird, ist das elektronische Rezept. Mehr als 800 Millionen papierbasierte Rezepte werden durch das neue eRezept abgelöst. Der komplett elektronische Prozess – ohne Medienbrüche – führt zu Einsparungspotentialen.
Systemseitig muss das Card Management System (CMS) hierzu mit der Komponente Application Management System (AMS) ausgebaut werden, welches das zusätzliche Nachladen, Aktualisieren oder Löschen von Anwendungen auf bereits ausgegebene elektronische Gesundheitskarten gewährleistet. Beide Systeme, CMS und AMS, verschmelzen zu einem komplexen Card and Application Management System, kurz CAMS genannt.
Neben den gesetzlich verabschiedeten Pflichtanwendungen wie dem eRezept und der Verwaltung der Versichertenstammdaten bietet die Chipkarte Platz für attraktive Zusatzanwendungen. So könnte dem Versicherten beispielsweise ermöglicht werden, eine persönliche elektronische Patientenakte als freiwillig nutzbare Anwendung mit Hilfe seiner Gesundheitskarte zu nutzen. Die Krankenversicherungen haben weiterhin die Möglichkeit ihren Versicherten zusätzliche Anwendungen, wie z. B. einen Impfausweis, Mitgliederprogramme oder die bereits laufenden Disease Management Programme kartengestützt anzubieten. Dabei fungiert die Chipkarte als einzigartiger Schlüssel zum System. Der Versicherte kann durch die Eingabe seiner persönlichen PIN beispielsweise seinem Arzt oder Apotheker den Zugang zu den medizinischen Daten ermöglichen. Ärzte und Apotheker erhalten so mehr Transparenz und bessere Beratungsmöglichkeiten – optimal für die medizinische Versorgung des Patienten.
AMS pflegt Historie und aktuellen Stand der Anwendungen
Sowohl die Pflicht- als auch die freiwilligen Anwendungen unterliegen einem Lebenszyklus, der sich auf Beginn und Ende einer Anwendung bezieht. Der aktuelle Status sowie die Historie der Karte sind während der gesamten Lebensdauer im CAMS verfügbar. Das CAMS übernimmt auch eine Schlüsselfunktion beim Nachladen oder Aktualisieren einer neuen Anwendung im Feld. Mikroprozessorkarten sind mit einem eigenen Betriebssystem ausgestattet, das es ermöglicht, zusätzliche Anwendungen in den Chip der Karte einzubringen. Diese nachgeladenen Anwendungen bestehen in erster Linie aus Filestrukturen, die durch ein Kommando in den nicht flüchtigen Speicher der Karte gespeichert werden. In diesem Filesystem werden dann zukünftig die zur Anwendung gehörenden Daten oder Verweise auf abgelegte Daten im Hintergrundsystem, gespeichert. Das CAMS muss alle zum Einsatz kommenden Chipkarten-Betriebssysteme in ihrer neuesten Version sowie die dazugehörigen Kommandosätze für das Nachladen von Anwendungen unterstützen.
Entscheidet sich ein Versicherter für die Nutzung einer bestimmten Anwendung, wird zunächst eine Online-Verbindung zum CAMS hergestellt, um die eindeutige Seriennummer der Chipkarte zu übermitteln. Das CAMS schickt nun den entsprechenden Kommandosatz zur Speicherung der Anwendung auf der Karte. Nach erfolgreichem Download protokolliert das CAMS diesen Vorgang und die neue Anwendung wird vom CAMS als „aktiv“ geführt. Ähnlich verläuft der Prozess bei der Aktualisierung einer bereits genutzten Anwendung. Auch hier wird das Update der Chipkarten über das System gesteuert. Bei jeder Online-Abfrage überprüft das CAMS, ob für die Chipkarte mit der übermittelten eindeutigen Seriennummer Aktualisierungen vorliegen und überträgt einen entsprechenden Datensatz an die Chipkarte.
Erneuerung einer elektronischen Gesundheitskarte
Eine besondere Bedeutung erhält das CAMS bei der Ausstellung einer neuen Gesundheitskarte. Für den Versicherten wird es wichtig sein, die bislang mit der „alten“ Gesundheitskarte gesammelten Informationen und Anwendungen bequem auf der neuen Chipkarte wieder verfügbar zu haben. Dazu werden alle Daten zur Historie der Chipkarte und deren Anwendungen durch das System zusammengestellt und an den Kartenproduzenten der neuen eGK übertragen. Dieser Prozess könnte zukünftig automatisch durch das CAMS initiiert werden.
Zur Realisierung erstellt das CAMS einen Kartenausstellungsauftrag, in dem alle für die Produktion einer neuen Chipkarte notwendigen Informationen abgelegt sind, z. B. die Versichertennummer und die zu ladenden Anwendungen. Dieser Kartenausstellungsauftrag wird über eine Schnittstelle an die Kartenproduktion geleitet, parallel erhält das CAMS die eindeutige Seriennummer der neuen Chip-karte und weitergehende Informationen. Nach der Ausstellung der neuen Chipkarte sperrt das CAMS die alte Karte für eine weitere Nutzung im System. Durch die Automatisierung dieses Prozesses hilft das System erheblich den administrativen Aufwand bei der Herausgabe einer neuen Karte zu minimieren.
Ausblick bei Versicherungswechsel
Offen ist derzeit das Prozedere beim Versicherungswechsel. Zur Wahl stehen die Ausstellung einer neuen Versichertenkarte oder die versicherungsübergreifende Nutzung der Karte. Demnach wäre es möglich, die Daten zwischen den einzelnen im Einsatz befindlichen Karten- und Applikationsmanagement Systemen auszutauschen, damit der Versicherte seine gewohnten Anwendungen weiterhin nutzen kann. Insgesamt bekommt das CAMS eine wichtige Bedeutung, um diese Vorgänge bequem und transparent für die Versicherten und die Krankenkassen abzuwickeln.
Patient bleibt „Herr seiner Daten“
Grundsätzlich bleibt der Versicherte „Herr seiner Daten“, das bedeutet der Bürger übernimmt die informationelle Selbstbestimmung. Aus diesem Grund hat das CAMS keinen Bezug zu anwendungs- oder personenbezogenen Daten, speichert diese nicht und kennt auch nicht die Identität des Versicherten oder könnte diese ermitteln. Das bedeutet, sämtliche Funktionalitäten eines CAMS erfolgen anonymisiert und basieren ausschließlich auf der eindeutigen Seriennummer der Chipkarte, die wiederum einem bestimmten Versicherten zugeordnet ist. Der Transfer von medizinischen Daten erfolgt am CAMS vorbei direkt über die beteiligten Instanzen. Das CAMS beschränkt sich in seiner Funktionalität rein auf den Lebenszyklus der Chipkarten und die Verwaltung der darauf befindlichen Anwendungen.
Als Pionier der Chipkartenbranche verfügt ORGA nicht nur über die Kernkompetenz bei Chipkarten und Terminals, sondern auch beim Aufbau und der Integration von Karten- und Applikationsmanagementsystemen. Mit diesem Artikel geben wir einen Überblick über mögliche Funktionalitäten der Systeme zur Verwaltung von multifunktionalen Chipkarten. Im Rahmen der Lösungsarchitektur werden die zukünftigen Funktionalitäten konkret beschrieben. Krankenkassen werden CAMS zur Verwaltung ihrer Gesundheitskarten mit Chip einsetzen. Es ist denkbar, dass die verschiedenen CAMS-Systeme regional verteilt für einzelne Krankenkassen oder für Zusammenschlüsse von Krankenkassen unabhängig voneinander betrieben werden.
Kontakt Dipl.-Ing. Andreas Rottmann ORGA Kartensysteme GmbH Am Hoppenhof 33 33104 Paderborn Tel.: 0 5251/8 89-36 30
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