C.Peter Waegemann
Weltweit sind die Themen eHealth und elektronische Patientenakten (EPA)im Mittelpunkt von Regierungsentwürfen, Konferenzen und nationalen Debatten. Bei der Vielzahl der Aktivitäten von Island bis Neuseeland muss man jedoch feststellen, dass nirgends ein ideales System für eHealth oder ePAs geschaffen wurde. Man kann also nicht sagen, dass auch nur ein Land den richtigen Weg zu ePAs gefunden hat und man dessen Lösung nur nach zu vollziehen braucht. Das führt zur Frage, warum ist es denn so schwer ist, neue Informationssysteme im Gesundheitsbereich zur Zufriedenheit aller Beteiligten einzuführen.
Schauen wir uns mal die Geschichte an. Am Anfang kam die Idee der elektronischen Patientenakten auf. Schon in den 60iger Jahren haben sich vor allem in Amerika visionäre Vordenker über das Problem der unzureichenden Informationssysteme den Kopf zerbrochen. Sie habe schon vor über 40 Jahren gefordert, dass jeder Arzt alle notwendigen Daten eines Patienten zur Verfügung habe, selbst wenn der Patient am Vortage bei einem Spezialisten war und vielleicht außerdem nur wenige Tage vorher im Krankenhaus wegen einer anderen Diagnose behandelt wurde. Als Lösung kam nur der Umschwung von der Papierakte zu einer digitalen, Computer basierenden Patientenakte in Frage. Später wurden dann präventive und Wellness-Daten mit einbezogen, so dass es nicht mehr um den Patienten ging, der ja in Behandlung ist, sondern um die Person, dessen gesamte Gesundheitsdaten in einer elektronischen Gesundheitsakte (EGA) zusammengefasst sind, selbst wenn die Person jahrelang keinen Arzt sieht. Die Idee der ePA war ein Ideenvirus, der schnell um sich gegriffen hat und weltweit akzeptiert wurde. War doch die Vorstellung, dass man die derzeitigen Krankengeschichtsakten digitalisieren muss einfach, und leicht überzeugend. Gelder wurden zur Verfügung gestellt und Projekte gestartet. Jedoch nach 10 oder 20 Jahren ist der tatsächliche Erfolg weltweit sehr mäßig. Es ist interessant, dass nur wenig Informatiker und Gesundheitsexperten sich fragen, „warum wohl?“ Natürlich ist die Antwort zu dieser Frage sehr komplex und es ist schwer, sich hier im Rahmen dieses Artikels auf nur einen Teil der Gründe zu beschränken, denn das Thema verdient eigentlich größere Genauigkeit. Jedoch kann man in groben Zügen vier Hauptgründe erkennen. Erstens:unser traditionelles Informationssystem im Gesundheitsbereich ist unzulänglich, selbst wenn wir es in Papierform beibehalten wollten. Es gibt kein Inhaltsverzeichnis in einer normalen Krankenakte, das es einem Arzt erlauben würde innerhalb von Sekunden die richtigen Informationen innerhalb einer dicken Akte zu finden. Auch gibt es in den meisten Fällen keine klaren Regeln wie und was einheitlich dokumentiert werden soll, usw.
Zum zweiten haben Informatiker sich in verschiedene Sackgassen begeben ohne zugeben zu wollen, dass es keinen Ausweg aus dieser Sackgasse gibt. Beispiele von diesen Sackgassen sind zum Beispiel in Deutschland die Patientenkarten, Pläne für eine zentrale Datenspeicherung, oder ein Datenschutz, der eigentlich Patientenschutz sein sollte, aber nicht ist. Dazu gehört auch ein elektronisches Rezeptsystem das auf Smartcards basiert ist. Zur Zeit ist nicht abzusehen, wie wir aus diesen Sackgassen heraus kommen. Drittens sind einige der Grundvoraussetzungen selbst nach all den vielen Jahren noch nicht geschaffen. Denken Sie nur an eine einheitliche Dokumentation, die schon in medizinischen Hochschulen gelehrt werden müsste und die die Prinzipien von gesetzmäßiger medizinischer Dokumentation einschließt. Das fängt mit der Nomenklatur an und hört mit integrierten, strukturierten Dokumentationssystemen auf. Beispiele von solchen strukturierten Datensätzen finden Sie überall im Internet, wenn Sie dort ein Buch oder ein Bahnticket kaufen. Aber in der Medizin sind wir noch lange nicht so weit.
Der vierte und wichtigste Punkt ist jedoch, dass wir unser Augenmerk von der Patientenakte zu dem Behandlungsvorgang richten müssen. Alle Versuche, sich nur darauf zu konzentrieren, Krankengeschichtsakten zu digitalisieren, müssen zum Scheitern führen. Statt dessen müssen wir uns auf Workflow-Änderungen einstellen, also neue Funktionen bedenken, die durch neue Informationssysteme notwendig werden. Wir befinden uns am Anfang eines medizinisch-historischen Umschwungs. Dies ist die Wende von der intuitiven Behandlungsart der Vergangenheit und Gegenwart, in der Medizin als Kunst bezeichnet wird, zu einer zukünftigen wissenschaftlichen Computer geleiteten und vom Computer unterstützten Behandlungsweise. Das ist ein großer Umschwung, man könnte fast von einer Revolution sprechen. Die ePA ist nur ein Werkzeug mit der die zukünftige Behandlungsweise eingeführt werden kann, wo die Ärztin einerseits alle Patientendaten zur Verfügung hat, andererseits durch die Referenzsysteme Zugang zu allen Diagnosen- Symptomen, Arzneimitteln, und anderen Decissonsupport-Werkzeugen hat, die vor Kurzem noch unvorstellbar waren. So gesehen ist die ePA eine kurzfristige Lösung, da sie es ermöglicht, neue Systeme begrenzt in Krankenhäusern und anderen Kliniken im Silostil einzuführen. Wenn ein grösserer Grad der Interoperabilität eingeführt ist, kann man an die eGA denken. Somit ist die eGA nur ein Werkzeug für eHealth. Auch bei dem Begriff eHealth muss man sagen, dass er in vielen Ländern missverstanden wird. e-Health verspricht eine neue Generation des Gesundheitswesens, das den Konsumenten der nicht krank ist einschließt. Aber es ist mehr; man muss auch an die finanziellen und administrativen e-Health Vorstellungen denken. Diese müssen alle mit einbezogen werden. E-health bedeutet, dass die Rechnung für die Krankenkasse nicht durch charge capture oder durch einen DRG-Code erstellt wird, sondern direkt von der Behandlungsdokumentation automatisch erzielt wird. Solche Rechnungen werden elektronisch übertragen und automatisch von der Versicherungskasse bearbeitet. Mit anderen Worten, es ist heute klar, dass jeder Deutsche in Zukunft seine eigene sichere Webadresse haben wird, die praktisch die Krankengeschichte ist und auf die Ärzte, Apotheker, Krankenhäuser und alle anderen Personen, die ermächtigt sind, relevante Daten eintragen lassen werden. Einen Anfang wird man in einigen Ländern im nächsten Jahr sehen, andere werden wegen der oben genannten Irrwege viel länger brauchen.
Die Frage ist nun, was kann man heute an praktischen Maßnahmen tun, um unser Gesundheitssystem bezüglich des Informationssystems drastisch zu verbessern? Gibt es praktische Vorschläge, die Erfolg versprechen? Hier muß die Continuity of Care Record genannt werden. Dieser von Ärzten entwickelte Datensatz sollte den Arztbrief ersetzen und jedes Mal wenn ein Patient von einem Provider, sagen wir mal vom niedergelassenen Arzt zu einen anderen, z. B. an ein Krankenhaus gesandt wird, wird dieser Datensatz per Fax, E-Mail, oder HL7-Nachricht übermittelt. Wir müssen uns erinnern, warum man ursprünglich ePAs einführen wollte. Man wollte eine Verbindung schaffen zwischen verschiedenen Behandlungsplätzen. Mit der Möglichkeit, dass jeder Arzt alle relevanten Patientendaten bei jedem Patientenbesuch zur Verfügung hat, kann die Qualität der Behandlung gesteigert werden. Es wird weniger Fehler geben. Ärzte brauchten seltener blindlings Entscheidungen treffen. Es ist mein Wunsch, dass deutsche Verbände, Gremien, und die Regierung die Continuity of Gare Record in Deutschland vorschreiben. ASTM International, eine der größten Normenorganisationen der Welt hat schon in Deutschland Vorabgespräche geführt. Jedoch fehlt noch der Wille, etwas Praktisches einzuführen, das wirklich der Ärzteschaft, den Krankenkassen, und vor allem den Patienten helfen würde. Kontakt C. Peter Waegemann Medical Records Institute 425 Boylston Street Boston, MA02116 USA Tel. +1 (6 17) 964 3923 App. 210 Fax+7 (617)9643926
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