Aufbau einer Telematikinfrastruktur für das deutsche Gesundheitswesen – Elektronische Karten als wesentliche Strukturelemente
Birgit Fischer, Ministerin für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie des Landes Nordrhein-Westfalen
Der elektronische Heilberufsausweis (HBA) ist gemeinsam mit der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) das auch nach außen hin sichtbare, wesentliche Strukturelement einer so genannten „Telematikinfrastruktur“ für das deutsche Gesundheitswesen.
Um die elektronische Kommunikation, also vor allem den Austausch von Befunden, Bildern und weiteren Daten im deutschen Gesundheitswesen zu ermöglichen, wird neben der entsprechenden Soft- und Hardware in den Arztpraxen, Krankenhäusern, Apotheken, und bei allen weiteren Beteiligten im Gesundheitswesen eine Kommunikations- Informations- und Sicherheitsinfrastruktur benötigt. Elementarer Bestandteil dieser Struktur ist neben der elektronischen Gesundheitskarte der elektronische Heilberufsausweis.
Wir stellen auf unseren Informationsveranstaltungen zur Telematik immer wieder fest, dass es einem Außenstehenden kaum verständlich zu machen ist, warum in anderen Branchen große Datensätze in einer sicheren Umgebung selbstverständlich um die Welt geschickt werden, im deutschen Gesundheitswesen aber kein Hausarzt dem Facharzt oder der Klinik die für die Behandlung zum Teil lebensnotwendigen Informationen elektronisch zur Verfügung stellen kann.
Die technischen Voraussetzungen dafür sind bei uns in Deutschland auf sehr hohem, weltweit wahrscheinlich höchstem Niveau. Allerdings gleicht der Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologien im deutschen Gesundheitswesen immer noch einer großen Insellandschaft, wobei auf den Inseln durchaus modernste Technologie steht.
So konnten sich die Besucher der MEDICA 2004 davon überzeugen, dass alle großen Anbieter von Krankenhaus-Informationssystemen inzwischen über z. T. sehr weit entwickelte elektronische Patientenakten verfügen und dass auch die Hersteller von Arztpraxis-Softwaresystemen solche Lösungen inzwischen anbieten.
Allerdings: Man kann auf diese Akten immer nur innerhalb der jeweiligen Systeme zugreifen. Systemübergreifender Datenaustausch erfolgt – wenn überhaupt – dann mit Techniken, Strukturen und Anwendungen, die völlig überaltert sind. Es gibt keine systematische elektronische Kommunikationsstruktur zwischen Arztpraxis, Krankenhaus und Apotheke.
Die heutige Krankenversichertenkarte stammt aus dem Jahre 1993 und ist eher vergleichbar mit einem Speicherriegel. Die Mikroprozessorkarte, die als neue elektronische Gesundheitskarte allen Krankenversicherten ausgehändigt werden soll, kann man im Vergleich dazu schon als einen kleinen Mini-Computer bezeichnen.
Die Heilberufausweise sind mit einem Mikrochip, also ebenfalls modernster Technologie, mit einer Speicherkapazität von 32 oder 64 Kilobyte und drei sogenannten Schlüsselpaaren ausgestattet. Damit kann der Benutzer
- a) Daten elektronisch verschlüsseln, was für die Sicherheit von Dokumenten von zentraler Bedeutung ist,
- b) eine elektronische Authentifizierung durchführen, also beispielsweise die Bestätigung, dass der Benutzer Arzt ist, um sich in ein Netz einwählen zu können,
- c) eine qualifizierte elektronische Signatur auf dem höchsten Standard nach dem Signaturgesetz erstellen, also „elektronisch unterschreiben“.
Allein an diesen sogenannten Funktionalitäten des elektronischen Heilberufausweises ist seine zukünftige sehr zentrale Bedeutung im Arbeitsalltag von Ärztinnen und Ärzten und anderer Heilberufl er zu erkennen.
Mit ihm – und nur mit ihm – wird der Arzt sicher und vertrauenswürdig auf elektronisch gespeicherte Patientendaten – ob auf der Gesundheitskarte oder der elektronischen Patientenakte – zugreifen können. Denn Gesundheits- und Patientendaten sind besonders sensible Daten und müssen entsprechend geschützt werden.
Alle ausgewiesenen Experten, die nah an der Praxis sind, werden bestätigen, dass der elektronische Heilberufsausweis neben der elektronischen Gesundheitskarte der eigentliche Schlüssel und das unverzichtbare Werkzeug für die gesamte elektronische Kommunikation im deutschen Gesundheitswesen und auch für die damit verbundenen politisch gewollten Veränderungen von Strukturen im System ist. Ohne ihn ist die flächendeckende sektorübergreifende elektronische Kommunikation, wie sie auch von der Integrierten Versorgung dringend benötigt wird, schlicht nicht möglich.
Die Investitionskosten für die gesamte Telematikinfrastruktur, also einschließlich der elektronischen Heilberufausweise und der elektronischen Gesundheitskarte, werden auf 1,6 Mrd. Euro geschätzt. Die Bundesregierung geht davon aus, dass dem erhebliche Einsparungen gegenüberstehen durch
- die Verringerung von Doppelbehandlungen,
- die Verminderung behandlungsbedürftiger Wechsel- und Nebenwirkungen von Arzneimitteln, durch die jedes Jahr mehr als 10.000 Menschen in Deutschland sterben,
- die vereinfachte administrative Abwicklung der (elektronischen) Rezepte (in Deutschland werden durchschnittlich zwei Millionen Rezepte am Tag ausgestellt und zwar auf Papier und erst nachträglich elektronisch erfasst),
- die schnellere Verfügbarkeit von Notfall- und sonstigen Behandlungsdaten und
- die Verminderung missbräuchlicher Leistungsinanspruchnahme.
Darüber hinaus wird die mit der Einführung der Karten verbundene Standardisierung ebenfalls zu deutlichen Einspareffekten führen. So werden einheitliche Schnittstellen und standardisierte Hard- und Softwarekomponenten künftig Investitions- und Wartungskosten günstiger und berechenbarer machen.
Die elektronischen Heilberufsausweise und die elektronische Gesundheitskarte sollen ab Mitte 2005 in Pilotprojekten den Ländern eingesetzt und getestet werden. Dabei hat sich die Mehrzahl der Länder ausdrücklich zu ihrer gesundheitspolitischen Mitverantwortung für den einer Telematikinfrastruktur bekannt. Vorschlag für ein gemeinsames Konzept zur Durchführung von Modell- und Testvorhaben wird derzeit in einem von Bund-Länder-Arbeitsgruppe Telematik Gesundheitswesen eingerichteten Projektverbund der Länder erarbeitet und dem Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) und Selbstverwaltung abgestimmt werden.
Inzwischen sind in den Länderprojekten stabile Projektstrukturen entstanden, die als modellhaft bezeichnet können, da es gelungen ist, erstmals Selbstverwaltung mit der Industrie Wahrung aller rechtlichen Vorgaben eine Zusammenarbeit in den Projekten gewinnen.
Kontakt Ministerium für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie des Landes Nordrhein-Westfalen Fürstenwall 25 40219 Düsseldorf Tel.: 02 11/ 8 55-5 Fax: 02 11/ 8 55-3211
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