Kosten-, Nutzen- und Akzeptanzfragen aus Sicht der Patienten |
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Kosten-, Nutzen- und Akzeptanzfragen aus Sicht der Patienten
Hannelore Loskill, Bundesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte e.V..
Als Anfang Mai 2002 die „Gemeinsame Erklärung des Bundesministerium für Gesundheit und der Spitzenorganisationen zum Einsatz von Telematik im Gesundheitswesen“ veröffentlicht wurde, rückte diese Thematik erstmals in den Fokus der Selbsthilfeorganisationen behinderter und chronisch kranker Menschen (die bei dieser Erklärung übrigens nicht beteiligt wurden).
Die in dieser Erklärung definierten Zielsetzungen zur Verbesserung von Qualität und Wirtschaftlichkeit sowie der Stärkung von Patienteninteressen stehen unverändert im Raum. Gleiches gilt für die Mittel, mit denen diese Ziele erreicht werden sollen, insbesondere für die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte.
Und damit sind wir beim ersten Punkt: den Kosten:
Der Aufbau bzw. die Weiterentwicklung einer Telematik-Infrastruktur im Gesundheitswesen erfordert enorme Investitionen in Computersysteme, Software, Server, Netze usw.. Hunderttausende von Arztpraxen, Apotheken, Therapeutenpraxen usw. müssen direkt elektronisch kommunizieren können. Wurde 2002 noch die Vermutung geäußert, die Industrie würde diese Milliarden übernehmen, so zeichnet sich heute die Finanzierung durch die Selbstverwaltung ab, und damit schlussendlich durch den Patienten selbst.
Und mit welchem Nutzen?
Die Gesundheitsdaten sollen in der Hand des einzelnen Patienten bleiben, soweit dies möglich ist.
Sie sind auf seiner Krankenversichertenkarte gespeichert oder über die Karte in Netzen abrufbar.
Die Sicherung einer qualitativ besseren Arzneimittelversorgung nutzt allen Patienten:
Sekundenschnelles Erkennen von
- Mehrfachverordnungen gleicher bzw. ähnlicher Wirkstoffe,
- Wechselwirkungen und Kontraindikationen zwischen Arzneimitteln,
- atypischen Medikationen bzw. Dosierungen (z. B. Dosis für Schulkinder bei einem Säugling),
- besonderem Beratungsbedarf bei der erstmaligen Ausgabe eines Medikamentes (z. B. Antibiotika, Aerosole usw.) und bei Arzneimittelallergien.
Für chronisch kranke Patientinnen und Patienten stellen
- Packungsmanagement bei Dauermedikation
- Zuzahlungsmanagement
- Verlaufsdokumentation
- Vermeidung von Doppel- oder Mehrfachuntersuchungen
einen weiteren Nutzen dar.
Doch wie steht es mit der Akzeptanz:
Das freiwillige Angebot an Versicherte (s. „Gemeinsame Erklärung“ von 2002) wirft nach wie vor ungelöste Probleme auf, die eine allgemeine Akzeptanz auf Seiten der Patientinnen und Patienten verhindern.
Beim Einsatz der elektronischen Gesundheitskarte soll Insbesondere gewährleist werden, dass Patienten entscheiden können, welche ihrer Gesundheitsdaten aufgenommen und welche gelöscht werden, und dass Patienten entscheiden können, ob und welche Daten sie einem Leistungserbringer zugänglich machen.
Wenn Patienten dieses Recht in Anspruch nehmen, ist der beabsichtigte Nutzen dahin; die rein freiwillige Angabe von Daten und Zugänglichkeitskriterien könnte zur Unvollständigkeit in der Dokumentation führen.
Eine Gewährleistung, dass keine zentral gespeicherten Datensammlungen über Patientinnen und Patienten entstehen, kann nicht einmal der Datenschutz übernehmen. Bereits heute existieren solche Sammlungen, z.B. im Rahmen der DMPs. Bereits der Gedanke an solche Sammlungen erzeugt bei Patienten die Horrorvision der Risikoselektion.
Patienten und Versicherte sollen das Recht haben, über sie gespeicherte Daten vollständig zu lesen. Jedoch wo und wie soll das realisiert werden? Anonymisierung, Pseudomiserung, Kryptographie, PIN usw. sind für einen großen Teil chronisch kranker Menschen (70 % sind über 65) böhmische Dörfer und längst nicht jeder möchte seine Zeit am heimischen Computer mit der Entschlüsselung von Diagnosen und sonstigen Referenznummern verbringen.
Dass die Verwendung der gespeicherten Patientendaten nur innerhalb des gesetzlichen Rahmens unter Wahrung des bestehenden Schutzniveaus (z. B. Beschlagnahmeschutz in der Arztpraxis) erlaubt ist, ist eigentlicht eine Selbstverständlickeit. Doch wie steht es dann mit Vertraulichkeit und Schweigepflicht, werden Datenterminals aufgestellt, gibt es Vorlesekräfte für blinde oder Dolmetscher für fremdsprachliche Patienten...
Wenn der Grundsatz der Freiwilligkeit der Speicherung von Gesundheitsdaten bewahrt werden soll, dürfte keine Krankenkasse ihre jetzige Chip-Karte „automatisch“ in eine elektronische Gesundheitskarte umwandeln.
Fazit
Die Schaffung von Modellprojekten hat auf Seiten der Patienten noch nicht zu verstärkter Akzeptanz geführt – zu theoretisch und zu praxisfern. Es bedarf sicherlich einer noch breiteren Diskussion der „Risiken und Nebenwirkungen“, bevor alle Beteiligten die Telematik im Gesundheitswesen akzeptieren.
Kontakt Hannelore Loskill Stellvertretende Vorsitzende Bundesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte e.V. Düsseldorf Ehrenstraße 19 40479 Düsseldorf Tel.: 0211/8113902
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