Ursula von der Leyen, Niedersächsische Ministerin für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit
Die elektronische Gesundheitskarte wird kommen – allerdings sicherlich nicht mehr zum Jahresbeginn 2006, wie es ursprünglich vorgesehen war. Aber ich halte es auch für sehr sinnvoll, dieses gewaltige IT-Projekt solide vorzubereiten. Ein zweites „Toll collect“ wäre in diesem Bereich fatal. Schließlich geht es hier um besonders schützenswerte Daten von Patientinnen und Patienten. Bevor die elektronische Gesundheitskarte kommt, muss sich vor allem die Telematik-Infrastruktur dauerhaft als praxistauglich erwiesen haben. Zu gravierend sind die mit der Einführung verbundenen Umstellungen für die Patienten und Leistungserbringer im Gesundheitswesen, also vor allem die Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte sowie Apothekerinnen und Apotheker. Es ist gut und notwendig, dass sich sämtliche Gruppen auf Seiten der Leistungserbringer an den Tests beteiligen. Sie alle haben ein Interesse daran, ihre Praxisabläufe zu verbessern. Die Ergebnisse aus den Modellversuchen müssen daher solide evaluiert in eine tragfähige Lösungsarchitektur einfließen.
Das Modellprojekt in der Region Wolfsburg kann dazu einen wesentlichen Beitrag leisten. Von besonderer Bedeutung ist dabei sicherlich das „elektronische Rezept“, das eine effizientere Rezeptverarbeitung und Arzneimittelversorgung verspricht. Wenn alles funktioniert, könnte alleine diese Neuerung dem Gesundheitswesen Millionen Euro sparen. Vorher müssen aber noch einige offene Fragen geklärt werden. Zum Beispiel, ob es sinnvoller ist, die Daten auf einem Server, auf der Karte oder aber – wie von den Apothekerverbänden jüngst vorgeschlagen – im Patientenfach auf einem Server zu speichern. Eine praxistaugliche Lösung muss dabei stets auch die Bedürfnisse älterer Menschen berücksichtigen.
Das „elektronische Rezept“ dient als Basis für eine leichtere und bessere Arzneimitteldokumentation. Die Medikationsgeschichte der Patientinnen oder Patienten ist für die behandelnden Mediziner eine wertvolle Datenbasis für ihre Therapieentscheidung. Mit Hilfe der Dokumentation lässt sich schnell klären, ob die Probleme von Patientinnen oder Patienten auf unerwünschten Wechselwirkungen verschiedener verabreichter Arzneimittel beruhen. Auch dem Apotheker zeigen die gespeicherten Daten an, ob Doppelverordnungen oder Kontraindikationen vorliegen. Das kann Patientinnen und Patienten vor vermeidbaren Arzneimittelschäden bewahren.
Die Krankenkassen haben im Rahmen des Modellversuchs Gelegenheit, Fragen des Kartenmanagements zu klären. Die elektronische Gesundheitskarte soll beispielsweise ein Foto des Versicherten tragen. Das senkt das Missbrauchsrisiko, bedeutet aber für die Kassen einen zusätzlichen organisatorischen Aufwand. Auch das Nachladen, Aktualisieren oder Löschen von Anwendungen bei bereits ausgegebenen elektronischen Gesundheitskarten muss reibungslos funktionieren. All das erfordert nicht nur eine andere technische Infrastruktur, sondern auch neue Abläufe und Organisationsstrukturen. Auf der Rückseite der neuen Karte soll die europäische Krankenversichertenkarte realisiert werden. Davon können Patientinnen und Patienten profitieren, die sich im Ausland behandeln lassen.
Der Modellversuch in der Region Wolfsburg erscheint besonders erfolgversprechend, weil es augenscheinlich eine hohe Akzeptanz auf Seiten der Leistungserbringer gibt. Die bislang geführten Gespräche zeigen: Die Beteiligten stehen hinter dem Projekt, weil sie die Chancen für eine bessere Qualität der medizinischen Versorgung erkennen. Auch beim weiteren Ausbau der integrierten Versorgung wird die Telematik-Infrastruktur von nicht zu unterschätzender Bedeutung sein.
Vor allem aber gilt es, die Patientinnen und Patienten von den Vorteilen der elektronischen Gesundheitskarte zu überzeugen. Ohne sie kann es keinen Erfolg der Gesundheitskarte geben, da die wesentlichen Ausbaustufen der Karte – wie die Arzneimitteldokumentation und die elektronische Patientenakte – nur in Betracht kommen, wenn die Patientin oder der Patient dies wünscht. Deswegen muss die Qualität des Angebots stimmen. Missbrauch muss ausgeschlossen sein und die informationelle Selbstbestimmung der unmittelbar Betroffenen hat höchste Priorität.
Ich bin sicher, das Modellprojekt in der Region Wolfsburg wird in diesem Sinne einen wichtigen Beitrag zur Einführung der elektronischen Gesundheitskarte leisten kann und wird. Davon werden letztendlich alle Beteiligten im Gesundheitswesen profitieren.
Kontakt Dr. Ursula von der Leyen, MdL Ministerin für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit des Landes Niedersachsen Hinrich-Wilhelm-Kopf-Platz 2 30159 Hannover
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