ein einrichtungs-, sektoren- und berufsgruppenübergreifender Lösungsansatz für die Elektronische Anamnese
Steffen Hayna, Paul Schmücker Hochschule Mannheim, Fakultät für Informatik, Institut für Medizinische Informatik
1 Einleitung
Die patientenbezogene Dokumentation im Krankenhaus hat in der Zwischenzeit einen Digitalisierungsgrad von 40 bis 60 Prozent erreicht [Schmücker, Dujat, Häber 2008]. Obwohl immer mehr Behandlungsprozesse von Patienten rechnerunterstützt abgewickelt werden, erfolgen immer noch einige Dokumentationen wie z. B. die Pflege- und Anamnesedokumentation weitgehend papierbasiert.
Das Wort „Anamnese“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet soviel wie Erinnerung [Brockhaus 2006]. Durch Fragen an den Patienten oder Dritte erhält der Arzt, Therapeut oder Pfleger Informationen zu aktuellen und früheren Beschwerden und dem bisherigen Gesundheitszustand des Patienten, nämlich zu der Anamnese [Middeke, Füeßl 2005; Dahmer 2006; Gruene, Schölmerich 2006]. Dabei unterscheidet man u. a. zwischen Eigen- und Fremdanamnesen sowie Allgemein-, Fachgebiets-, Familien-, Berufs-, Sozial- und Medikamentenanamnesen. Unter einer Anamnese versteht man somit
- „die allgemeine somatische, psychische oder soziale Vorgeschichte eines Patienten bis zum Zeitpunkt des Arztbesuches (Krankenvorgeschichte),
- die spezielle Vorgeschichte des aktuellen Konsultationsanlasses (Krankheitsvorgeschichte) sowie
- den Vorgang der Informationsgewinnung selbst (Anamneseerhebung)“ [Fassl 1975].
Nahezu bei jeder medizinischen Behandlung stellt die Anamneseerhebung einen der ersten ärztlichen und pflegerischen Prozessschritte dar. Täglich werden viele tausende Anamnesebögen mit patientenspezifischen Informationen ausgefüllt, in denen unzählige Fragen gestellt, beantwortet und dokumentiert werden. Die Anamnese ist ein sehr wichtiger Teil des medizinischen Behandlungsprozesses. Zusammen mit der sich anschließenden körperlichen Untersuchung führt sie zu 90 Prozent aller Verdachtsdiagnosen [gesundheit. de 2008].
2 Problemstellungen
Bei der Anamneseerhebung handelt es sich um eine zeit- und ressourcenaufwendige Aufgabe. Bei einer durchschnittlichen Dauer von fünf bis zu 50 Minuten [gesundheit. de 2008] stellt diese sowohl für den Arzt als auch für den Patienten einen anspruchsvollen und langwierigen Prozess dar, zu dem durchaus einige Verbesserungen für alle Beteiligten wünschenswert sind:
- Aufgrund fehlender Kommunikationsmöglichkeiten und eines unkomfortablen Rückgriffs auf die papiergebundenen Anamnesebögen ergeben sich einrichtungsintern Mehrfacherfassungen der Daten (z. B. Chirurg, Anästhesist und Pflege). Selbst innerhalb eines Behandlungsfalles kommt es häufiger zu Mehrfacherfassungen durch verschiedene an der Behandlung beteiligte Fachdisziplinen. Hierzu zählen besonders die fachgebietsübergreifenden „allgemeinen Informationen“ zu einem Patienten, welche beispielsweise vom Chirurgen erfasst und kurz vor der Operation nochmals vom Anästhesisten abgefragt und dokumentiert werden. Häufig werden auch bei Wiederaufnahmen die Anamnesen komplett neu erfasst. In Anbetracht der hohen Zeit- und Ressourcenbindung ist dieses Vorgehen äußerst unwirtschaftlich.
- Die erfassten Anamnesen stehen bisher nur einrichtungsintern zur Verfügung. Bei einer einrichtungs- und sektorenübergreifenden Bereitstellung der Anamnese müsste diese nur noch von der jeweiligen medizinischen Einrichtung aktualisiert und ergänzt werden. Heutzutage werden die Anamnesen in den „lokalen“ Patientenakten abgelegt und in der jeweiligen Einrichtung archiviert. Somit stehen sie – wenn überhaupt – nur noch dem medizinischen Personal der jeweiligen Einrichtung zur Verfügung. Patienten, welche häufig ihren medizinischen Ansprechpartner wechseln, starten mit jeder Neuaufnahme eine neue Anamneseerhebung. Dabei entstehen oftmals nur teure Kopien von Anamnesen, welche gegebenenfalls ungenutzt in den Archiven der zu einem früheren Zeitpunkt behandelnden Einrichtungen aufbewahrt werden.
- Bei der Anamneseerhebung können sich Patienten nach Jahren nicht mehr an signifikante Details zu ihren Erkrankungen erinnern. Die Anamnese ist damit häufig unvollständig und vielleicht sogar ungenau dokumentiert.
Die Anamneseerhebung stellt somit in der Regel einen ressourcenaufwendigen Bestandteil der Aufnahmeuntersuchung dar, der derzeit aufgrund unausweichlicher Mehrfacherfassungen sehr ineffizient ist.
Auch sind am Markt kaum effiziente Lösungen für eine rechnerunterstützte Anamnesedokumentation verfügbar. Somit wird diese nur selten unter Routinebedingungen eingesetzt, obwohl es bei der Anamnese ein hohes Optimierungspotential gibt.
3 Zielsetzungen
Die dargestellten Unzulänglichkeiten sprechen für die Entwicklung einer Software zur rechnerunterstützten einrichtungsübergreifenden Erfassung von Anamnesen. Bei dieser Elektronischen Anamnese (eAnamnese) sollte der Prozess der Anamneseerfassung wesentlich effizienter für die Leistungserbringer, aber auch für die Patienten gestaltet werden, um die Anamnesen qualitativ hochwertiger, vor allem aber auch schneller und einfacher erheben und gezielter nutzen zu können.
Ziel ist es dabei, die in Frage kommenden Differentialdiagnosen anhand der Leitsymptome und Ausschlusskriterien weitestgehend einzuschränken, um ein möglichst deutliches Krankheitsbild des Patienten zu erhalten. Die hieraus abgeleitete Verdachtsdiagnose wird im Anschluss durch weitere Untersuchungen in eine definitive Diagnose überführt.
Aufgrund der fachgebiets-, einrichtungs- und sektorenübergreifenden Behandlungsmöglichkeiten stellt sich die Anamnese unabhängig vom Ort der Behandlung als eine Sammlung aller Anamnesebögen des Patienten dar. Eine Elektronische Anamnese hingegen würde diese Anamnesebögen frei von Redundanzen lebenslang speichern und bei Bedarf zur Verfügung stellen.
Obwohl bereits ein lokaler abteilungsund berufsgruppenübergreifender Einsatz der Elektronischen Anamnese zu erheblichen Vorteilen führt, steht außer Frage, dass ein einrichtungs- und sektorenübergreifender Ansatz angestrebt werden sollte.
Eine Herausforderung bilden hierbei die aufwendigen Zugriffsberechtigungskonzepte und der Wunsch nach einem unmittelbaren Zugriff auf rechtssichere digitale Archive mit digital signierten Anamnesen.
4 Anforderungen
Da die Anamneseerhebung zum grundlegenden Bestandteil der Patientenbehandlung fast aller Einrichtungen des Gesundheitswesens zählt, muss bereits bei der Konzeption und Realisierung der Elektronischen Anamnese darauf geachtet werden, ein möglichst abstraktes Konzept zu erstellen, welches durch geeignete dynamische Komponenten in allen Bereichen zum Einsatz gebracht werden kann und eine hohe Strukturierbarkeit der Anamnesen sowie eine einrichtungs-, sektoren- und berufsgruppenübergreifende Anamneseerfassung und -einsicht ermöglicht.
Trotz dieser geforderten Dynamik darf die Übersichtlichkeit nicht leiden, damit ein hoher Grad an Ergonomie sowie eine sinnvolle Integration in die Behandlungsprozesse erreicht wird. Somit muss die Gestaltungsform der einzelnen Bögen dynamisch an die einzelnen Fachgebiete anpassbar und darüber hinaus innerhalb der einzelnen Fachgebiete mit weiteren Fragen erweiterbar sein...
Dokumentinformationen zum Volltext-Download Titel:
| eAnamnese | Artikel ist erschienen in:
| Telemedizinführer Deutschland, Ausgabe 2009
| Kontakt/Autor(en): | Dipl.-Inform. (FH) Steffen Hayna Hochschule Mannheim Fakultät für Informatik Institut für Medizinische Informatik Paul-Wittsack-Straße 10 D-68163 Mannheim Tel.: +49 (0) 6 21 / 2 92 - 67 61 Fax: +49 (0) 6 21 / 2 92 - 66 76 11
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